Pannenbewältigung, Ladeinfrastruktur und Perspektiven

Elektromobilität aus Nutzer Sicht

Pannenbewältigung, Ladeinfrastruktur und Perspektiven

17. Mai 2024 agvs-upsa.ch – In den letzten Jahren hat der Touring Club Schweiz (TCS) angesichts der steigenden Zahl von  Elektrofahrzeugen auf Schweizer Strassen sein Angebot erweitert. Dazu gehören unter anderem die Montage und Wartung von Ladestationen, ein eigenes Ladeangebot für unterwegs sowie der Pannendienst für Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur. Damit will die bekannte Organisation für Mobilität und Verkehrssicherheit den wachsenden Bedürfnissen und Herausforderungen im Bereich der Elektromobilität gerecht werden. Ilir Pinto


Nach der Ausführung des elektrischen Anschlusses durch eine Elektro-Installationsfirma montiert und wartet der TCS Wallboxen für ein komfortables Laden zuhause. Foto: TCS

Au topannen sind ärgerlich und können unseren Tagesablauf erheblich stören. Ein klassisches Beispiel für eine Panne ist ein leerer Tank. Dass ein Elektroauto nicht mit diesem Problem kämpfen muss, bedeutet nicht, dass es seltener liegen bleibt. «Die Pannenhäufigkeit pro 1000 Autos ist bei Verbrennern und E-Autos gleich hoch», sagt Martin Bolliger, Senior Experte Elektromobilität und Energie beim TCS.

Bezüglich Pannen liegt der grosse Unterschied zwischen E-Autos und ihren konventionell betriebenen Gegenstücken gemäss Statistiken des TCS bei den Ursachen: Während bei den Verbrennern Probleme mit der 12-Volt-Batterie die häufigste Pannenursache sind, sind sie bei den E-Autos die zweithäufigste. Umgekehrt ist die häufigste Pannenursache bei Elektroautos ein platter Reifen, bei Verbrennungsmotoren die zweithäufigste.

Was, wenn nicht die 12-Volt-Batterie, sondern der grosse Hochvolt-Akku eines E-Autos leer ist? Dann bringt der TCS seine Mitglieder laut Bolliger zur nächsten Lademöglichkeit, was genau gleich versichert ist wie ein leerer Tank. Dass Elektroautos mit leerem Akku liegenbleiben, sei jedoch extrem selten. «Die meisten Fahrzeuge können nach der Leerstandsanzeige noch mehr als zehn Kilometer fahren», weiss der Experte für E-Mobilität. «Und eine Lademöglichkeit findet sich bestimmt, bevor man zehn Kilometer gefahren ist.»

Häufiger komme es vor, dass ein TCS-Mitglied den Ladevorgang nicht starten kann. «Viele Leute haben dieses Problem, wenn sie zum ersten Mal nicht daheim laden», sagt Bolliger. Oder der Ladevorgang kann nicht beendet werden; das Ladekabel kann nicht abgezogen werden, weil das Fahrzeug verriegelt ist. «Dann muss man das Auto aus- und wieder einschalten», erklärt Bolliger. Oder der Ladevorgang kann nicht beendet werden; das Ladekabel kann nicht abgezogen werden, weil das Fahrzeug verriegelt ist. «Dann muss man das Auto aus- und wieder einschalten», erklärt Bolliger

Entwicklungen im Nutzerverhalten
Probleme dieser Art treten für gewöhnlich auf, weil jemand noch nicht lange elektrisch fährt. Wer so etwas einmal erlebt hat, weiss es beim nächsten Mal besser. Im Allgemeinen stellt Martin Bolliger fest: «Die Leute gehen unterwegs selbstverständlicher mit der Ladeinfrastruktur um.»

Auf die wahrgenommene fehlende Preistransparenz an öffentlichen Ladepunkten (siehe AUTOINSIDE 04/2024; Teil 2 der Serie) entgegnet Bolliger: «Mit der App seines Ladeanbieters kann man an jeder Ladesäule – auch bei anderen Anbietern – die geltenden Tarife abrufen und die effektiven Kosten inklusive Standgebühren sehen.» Da die Roaminggebühren, die für einen Ladevorgang bei einem fremden Anbieter anfallen, von Standort zu Standort unterschiedlich sind, sei ein Blick in die App wichtig

Wo noch Lademöglichkeiten fehlen
Schnellladestationen finden sich auf Autobahnen in der Schweiz laut Bolliger zur Genüge – ebenso in unseren Nachbarländern. Im Juli 2023 hat das EU-Parlament beschlossen, dass bis 2026 entlang der wichtigsten Autobahnrouten in der Europäischen Union alle 60 Kilometer eine Schnellladestation für Elektroautos vorhanden sein muss.

Die Verordnung scheint bereits Früchte zu tragen: Martin Bolliger stellt für 2023 in Frankreich sowie Italien einen «Quantensprung» fest; es würden sich an Ladesäulen kaum noch Warteschlagen bilden, höchstens zu Ferienzeiten. Wer also mit einem Elektroauto unterwegs ist, hat fast überall in Europa keine Probleme mit dem Laden.

Mehr Lademöglichkeiten für Nutzerinnen und Nutzer von E-Fahrzeugen braucht es laut Martin Bolliger an den Destinationen, also auf dem Campingplatz, im Skigebiet oder in Hotels – das gilt für die Schweiz wie für andere Länder. 

Einen Engpass ortet er auch bei Mehrfamilienhäusern: Stellen sich Immobilieneigentümer oder -miteigentümer quer, kann man sein Auto nicht laden. Dies bremst bei Mieterinnen und Mietern die E-Mobilität aus. Als Lösung fordert Martin Bolliger, dass wenigstens die Grundinfrastruktur vom Bund unterstützt wird.

100 Prozent E-Autos in zehn Jahren
Martin Bolliger blickt optimistisch in die Zukunft der Elektromobilität. In Norwegen waren 2023 fast 90 Prozent der zugelassenen Neuwagen vollelektrisch. «Die waren vor sieben Jahren dort, wo wir in der Schweiz jetzt stehen», sagt der Experte für Elektromobilität. «Alle zwei Jahre verdoppelt sich die Zahl der Elektroautos auf Schweizer Strassen», fügt er hinzu. 

«Im Moment herrscht ein Preiskampf, was für die Käuferinnen und Käufer eigentlich gut ist; Elektroautos werden günstiger und besser», fährt Martin Bolliger fort. Mit diesen Faktoren im Hinterkopf, stellt er die Prognose: In den Jahren 2030 bis 2035 sind wir bei nahezu 100 Prozent E-Autos bei Neuwagen. Aber: «Der letzte Verbrenner, der 2035 gekauft wird, wird bis 2050 auf der Strasse sein.» Entsprechend lange werde es dauern, bis man wirklich überall laden kann und die Stromversorgung gewährleistet ist.

Martin Bolliger empfiehlt den Garagisten und Garagistinnen im Zusammenhang mit der Elektromobilität die technischen Ausbildungen, die der AGVS anbietet. «Und wenn möglich auch Elektroautos im Betrieb haben; man kann nichts gut verkaufen und reparieren, was man nicht selber gut kennt», sagt er. Sein Tipp: Hemmungslos ausprobieren!
 
Serie Elektromobilität in der Garage (3/5)
Mit einer Artikelserie über verschiedene Aspekte der Ladeinfrastruktur greifen die AGVS-Medien die Thematik auf. In der letzten Ausgabe vertieften Energieversorger und Dienstleister das Bild. Und in den nächsten Ausgaben vervollständigen Experten aus Sicht der Behörden und der Garagen das Bild.
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