Ab auf die virtuelle ­Streckbank

Digitale Mess- und Richtsysteme

Ab auf die virtuelle ­Streckbank

13. Oktober 2023 agvs-upsa.ch – Mit intelligenten Messsystemen lässt sich innert Minuten ein virtuelles Bild vom zu vermessenden Fahrzeug erstellen und so eruieren, ob ein Auto gerichtet werden muss. Beim Zürcher AGVS-Mitglied Garage Carrosserie Moser erhöhen digitale Helfer die Effizienz massiv. Jürg A. Stettler


Patrick Nägelin vom Blutech-Aussendienst (links) und Spengler Michael ­Hägele schauen sich weitere, mögliche ­Messpunkte für den Unfallwagen an. Fotos: AGVS-Medien

Eine ganz normale Hebebühne – oder nicht? Auf den ersten Blick wirkt der in der Schweiz von Blutech AG aus Wünnewil FR vertriebene Car-O-Liner wie ein herkömmlicher Arbeitsplatz an einer Hebebühne. «Das ist auch ein Teil des Erfolgsgeheimnisses, denn der Car-O-Liner ist mehr als eine Richtbank: ein vollwertiger Carrosserie-Arbeitsplatz, den man wie einen herkömmlichen Lift nutzen kann», erläutert Patrick Nägelin vom Blutech-Aussendienst. Und Michael Hägele, der erfahrene Strassenhelfer und Abteilungsleiter Carrosserie bei der Garage Carrosserie Moser in Seuzach ZH, pflichtet ihm bei: «Ja, das System ist nicht nur mega-präzise, sondern auch extrem intuitiv und modular anpassbar. Das ist fast wie Spielen mit Lego: Die Komponenten können verschoben, links oder rechts angebracht, die Arbeitshöhe angepasst und der Zugturm einfach angehängt werden.»

Im Gesamtpaket am effektivsten ­einsetzbar
Die AGVS-Garage nutzt nicht nur den Arbeitsplatz, sondern das Gesamtpaket des schwedischen Herstellers samt digitalem Messgerät Car-o-Tronic, der fotobasierten, sehr benutzerfreundlichen Software Vision2_X3 sowie der umfassenden Datenbank Car-O-Data. «Da hat es zum Teil Automodelle und Marken drin, vor allem chinesische, da habe ich den Namen zum ersten Mal überhaupt hier auf dem Bildschirm gelesen. So aktuell sind die Daten. Zudem gibt es natürlich ebenfalls Infos zu Oldtimern und Klassikern wie etwa einem VW Golf I», erläutert Hägele, bevor er einen verunfallten Mazda 5, bei dem seine Kollegen schon mal die hinteren Stossfänger abmontiert haben, auf die Bühne fährt.


Michael Hägele, Abteilungsleiter Carrosserie bei der Garage Carrosserie Moser in Seuzach ZH, platziert das digitale Messgerät Car-o-Tronic unter dem Fahrzeug.

Schneller und präzisere ­Vermessungen
Aus dem Schrank des mobilen Arbeitsplatzes holt Hägele nun den Schlitten des digitalen 3D-Messsystems, das dank drei Drehachsen und der simplen Befestigung der verschiedenen Adapter problemlos jeden gewünschten Messpunkt am Unter-, aber auch Oberbau des Fahrzeugs erreicht. Mit einem geübten Handgriff platziert der erfahrene Spengler, seit 20 Jahren mit viel Leidenschaft in seinem Beruf, den Schlitten in der Leitschiene und startet danach den Computer. «Wer will, kann ja immer noch mit dem Stangezirkel messen. Aber mit dem Car-O-Liner-System gehts schlicht schneller und präziser», erläutert Hägele. «Die Daten der Messungen – dreimal pro Sekunde – werden in Echtzeit ans System übertragen und können sofort mit den Herstellerdaten abgeglichen werden», verrät Patrick Nägelin von Blutech. «Unser System rechnet auf den Tausendstel Millimeter genau und rundet dann auf. Das reicht locker, um Klarheit zu haben, ob ein Auto gerichtet werden muss oder nicht. Toleriert werden drei Millimeter Abweichung, bei Porsche sind es sogar nur zwei Millimeter.»


Auf der Libelle des Car-O-Liner ist dank der fotobasierten, sehr benutzerfreundlichen Software Vision2_X3 klar ersichtlich, ob und in welche Richtung die Carrosserie gerichtet werden muss.

Skepsis vor digitalem Helfer längst verflogen
Auch das Dokumentieren für Kunden und Versicherungen ist simpel, denn die Software führt perfekt durch den ganzen Arbeitsablauf. «Wenn man das Schlösschen am richtigen Ort öffnet», ergänzt Michael Hägele lachend und mit Blick zum Blutech-Experten. «Wir haben nämlich ganz am Anfang vor einem Jahr schon am System gezweifelt, weil wir uns missverstanden hatten und die ganzen Messungen nicht funktionierten. Ein klärender Anruf bei Blutech hat gereicht, und heute wollen wir das Car-O-Liner-System nicht missen. Wir haben ein zweites geordert!» Auch bei alteingesessenen Spenglern im Betrieb ist die Skepsis gegenüber dem digitalen Helfer verflogen. Schnell wird klar, warum: Hägele gibt die Eckdaten zum Auftrag und zum Auto ein, präzisiert, ob der Unfallwagen auf Rädern oder den Aufnahmen auf der Hebebühne steht. «Und dann ist eigentlich der Computer der Chef. Ich erfahre genau, wo die gewünschten Messpunkte des Herstellers sind und welchen Adapter ich dabei auf den Messschlitten packen soll – sogar inklusive Foto als Hilfe», erklärt der Spengler.

Schnelle Beurteilung möglich
«Danach muss ich am Car-O-Tronic nur noch die Messung auslösen. Ein grünes oder rotes LED-Licht zeigt mir sogar, ob der Messpunkt korrekt ist. So weiss ich teilweise in weniger als zehn Minuten, was bei einem Unfall­wagen Sache ist.» Praktisch: Danach muss der Wagen nicht wieder von der Bühne runter; dank des modularen Aufbaus kann man den Arbeitsplatz gleich so anpassen, dass man mit Schwellerarbeiten starten oder auch den Zugturm, der dank eines elektrohydraulischen Zylinders mit einer Zugkraft von 20 Tonnen glänzt, anbringen kann. «Der Arbeitsplatz verfügt zudem hinten und vorne über Druckluft- und Ölanschluss, das schafft weitere Flexibilität. Genau wie die Plug-and-Play-Elemente und die universellen Haltesysteme und Verankerungen, die für alle Autos passen», ergänzt Hägele und wirft einen prüfenden Blick auf die Libelle unten links auf dem Bildschirm. Sie zeigt ihm genau, in welche Richtung die Heckpartie des Mazda 5 noch etwas gezogen werden muss, damit alles wieder passt. Ist der Messpunkt im Zentrum der Libelle, stimmt es mit den Herstellervorgaben überein.


Der Car-O-Liner kann wie ein herkömmlicher Arbeitsplatz genutzt werden. Er ist flexibel aufgebaut und auch der Zugturm, der dank eines elektrohydraulischen Zylinders mit einer Zugkraft von 20 Tonnen glänzt, lässt sich im Handumdrehen daran anbringen.

Die ganzen Einpassarbeiten, falls eine Tür oder ein Scheinwerfer nach dem Lackieren dann noch nicht ganz passt – die bezahlt mir niemand. Das ganze Gewusel mit Unterlegscheiben und derlei fällt dank des präzisen digitalen Messsystems schlicht weg», erläutert Hägele zufrieden. «Das System ist so simpel und einfach, da muss jemand nur zweimal zuschauen und kann es ebenfalls nutzen.» Kein Wunder, sind schweizweit bereits rund 200 Messsysteme von Car-O-Liner im Einsatz. Denn durch die Fahrassistenzsysteme und andere verbesserte Komponenten haben die Aufprallgeschwindigkeiten bei Unfällen abgenommen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Fahrzeug gerichtet werden kann. Somit steigt in Garagen und Carrosserien der Bedarf an flexiblen und schnellen Messlösungen.
 
Weitere Infos unter:
blutech.ch
garagemoser.ch
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